Klein zum Urteil des BGH zum judenfeindlichen Schmährelief an der Wittenberger Stadtkirche
Pressemitteilung 15.06.2022
Felix Klein äußert sich zum Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach die als Wittenberger "Judensau" bekannte Schmähskulptur weiter an der Stadtkirche der Lutherstadt angebracht bleiben darf:
"Die als Judensau' bezeichneten Schmähskulpturen sind bis heute sichtbare Spuren einer Jahrhunderte alten judenfeindlichen Theologie, die vom christlichen Antijudaismus des Mittelalters zeugen. Sie gehören mithin zu unserer Vergangenheit, die wir nicht ändern können – umso wichtiger ist heute eine sinnvolle Kontextualisierung und Einordnung. Dies sah das Gericht im vorliegenden Fall von Wittenberg als gegeben an.
Ich bin grundsätzlich der Ansicht: Unterschiedliche Fallkonstellationen verlangen unterschiedliche Lösungen, einen Standardweg kann es hier nicht geben. Die Wittenberger Tafel, die als Hinweisschild neben der Schmähskulptur angebracht wurde, stößt dem Anschein nach gerade deswegen auf Widerstand, weil sie in erster Linie theologisch spricht. Sie setzt Wissen nicht nur um den christlichen Antijudaismus voraus, sondern auch um das Menschheitsverbrechen der Schoah. Und leider ist es so, dass dieses Wissen nicht bei jedem Betrachter vorausgesetzt werden kann.
Das Verfahren und das Urteil haben Aufmerksamkeit für die Problematik geschaffen und machen die in unserer Geschichte und Gesellschaft tief verwurzelte Judenfeindschaft deutlich. Daher wünsche ich mir, dass in ähnlichen Fällen und in Zukunft gesellschaftliche Lösungen gefunden würden, die einen Dialog zwischen Betroffenen und Beteiligten sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren ermöglichen."